Die lebenslustigen Fans des WM-Gastgebers Südafrikas berauschen sich beim Fußball: Zum Betrachten der Spiele gehört Marihuana fast selbstverständlich dazu.
Da Alkohol auf den Zuschauerrängen schon seit einigen Jahren verboten ist, sind der Stoff und die Vuvuzelas gute Ersatzdrogen.
„Das ist gute Ware, Sir, wirklich allerbeste Qualität“, begann der Mann mit den leicht geröteten Augen sein Verkaufsgespräch. Und mit schmeichelnder Stimme, die wohl verführerisch klingen sollte, fuhr er fort: „Damit gehören Sie auf jeden Fall zu den Siegern.“
Auf seiner schwieligen Hand lagen vier Papierröllchen, tütenförmig gedreht, umgerechnet für wenige Cents das Stück: Joints. Das mit der Qualität glaubte ich ihm sogar. Dennoch: Als Nichtraucher fiel es mir leicht, dankend abzulehnen.
Marihuana, oder auf südafrikanisch „Dagga“ gehört zu afrikanischen Fußballspielen, wie die Sonne, die (fast) immer scheint. Bei dieser Gelegenheit im Athlone-Stadion von Kapstadt vor einigen Monaten, wollte eine Gruppe ausländischer Journalisten, die von der WM berichten werden, „einmal ein richtiges afrikanisches Fußballspiel“ erleben. Als sie in den Block der Fans von Ajax Kapstadt blickten, trauten sie ihren Augen nicht und wichen ob der gut sichtbaren Nebelwolke unwillkürlich zurück. Der würzige, unverkennbare Geruch von „Dagga“ lag in der Luft. Auch bei den Fans der gegnerischen Kaizer Chiefs aus Soweto stieg verräterischer Rauch auf.
Unter Kennern ist Südafrika bekannt für die Qualität seines Stoffes zu niedrigen Preisen. Schließlich wird in jedem Kraaldorf seit und je Cannabis, so der wissenschaftliche Name der Pflanzengattung Hanf, angepflanzt und geraucht. Und da Alkohol auf den Rängen schon seit einigen Jahren verboten ist, berauschen sich viele Stadionbesucher stattdessen mit „Dagga“ und dem ohrenbetäubenden Trötenlärm der „Vuvuzelas“.
Die Leute in Athlone waren außerdem fantasievoll kostümiert, mit riesigen Hüten, übergroßen Sonnenbrillen und seidig-glänzender Kleidung, meist in den Vereinsfarben Schwarz-Gelb-Grün, die sich übrigens auch in der Parteifahne der Regierungspartei ANC finden. In Afrika ist Politik nie weit vom Sport entfernt?
Die Fußballtradition in Südafrika, ja in ganz Afrika, ist eben anders, ganz anders jedenfalls, als sie sich das in den Fußballverbänden und Funktionärskreisen auf der nördlichen Halbkugel der Welt vorstellen. Oder können Sie sich den – zugegeben – fidelen Chef Sepp Blatter vom Weltverband Fifa vorstellen, wie er mit halbgeschlossenen Augen und leichtem Hüftschwung einen Joint raucht, verloren in die Sonne blinzelt und am Ende des Spiels das Ergebnis gar nicht mehr so richtig mitbekommt? Hierzulande wird gesungen, getanzt und viel gelacht, sicher auch gebrüllt, aber am Ende wollen die Zuschauer einfach nur eine gute Zeit haben.
In den meisten Klubs gibt es vor dem Spiel irgendeinen Hokuspokus. Da werden Knochen geworfen und Karten gelegt; nicht selten braut eine männliche oder weibliche „Sangoma“ – oft mit langen Zottelocken, mysteriösem Schmuck und bunter Kleidung – geheimnisvolle Mixturen, die tropfenweise auf den Ball, den Rasen oder auch die Fußballstiefel geträufelt werden. Ganz zu schweigen von den medizin-ähnlichen Tinkturen und Pülverchen, die aus Kräutern und weiß der Himmel was zubereitet werden?
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